Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes arbeitet als Professor für Geschichte der Physik mit Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation für die Friedrich-Schiller-Universität Jena und ist Gründungsdirektor des Deutschen Optischen Museums.
Mit über 150 Jahren Industriegeschichte gilt Jena als Wiege der optischen Industrie in Europa und als ein anerkanntes Forschungszentrum auf den Gebieten der Optik & Photonik. Was macht den Standort beim Thema Optik damals und heute so besonders?
Prof. Dr. Mappes: In Jena ist der wechselseitige Austausch zwischen Forschungseinrichtungen und der Industrie seit nun 175 Jahren ungebrochen. Begonnen hat dies mit dem Start-up von Carl Zeiss, der von Beginn an sehr eng mit verschiedenen Wissenschaftlern der Universität Jena zusammenarbeitete. Über die Jahrzehnte folgten immer wieder Firmengründungen im Bereich der Optik. Heute sind zahlreiche Jenaer Unternehmen global sehr erfolgreich und bilden teilweise ihre Lehrlinge vor Ort gemeinsam aus. Es gibt unzählige Beispiele für Erfindungen aus Jena, die unmittelbar in Produkte überführt wurden und damit dem Menschen im Alltag nützen.
Und an genau diesen zu Recht als Innovationen bezeichneten Entwicklungen der Optik und Photonik kann Jena so viele aufzählen. Dass die zur Herstellung moderner Mikroelektronik zwingend erforderliche EUV-Lithografie ohne die Beiträge aus Jena nicht verfügbar wäre, wissen die meisten seit der medienwirksamen Verleihung des Deutschen Zukunftspreises 2020. Diesen wichtigen Preis erhielten bereits das dritte Mal Forscher aus Jena – keine andere Stadt kann dies vorweisen.
Doch kaum jemandem ist bewusst, wie bereits seit über einem Jahrhundert immer wieder enormer praktischer Nutzen aus Jena heraus auf die Lebensqualität der Menschen wirkt. So wurde das heute weltweit genutzte Design des Einstärkenbrillenglases bereits 1911 in Jena eingeführt. Es erleichtert seitdem Milliarden Menschen das Sehen. Hervorgegangen ist dies aus einer industriellen Kooperation mit dem damaligen Nobelpreisträger für Medizin. Oder dass Ernst Abbe 1878 die homogene Immersion in der Mikroskopie erstmals nutzbar machte. Carl Zeiss überführte diese Erfindung unmittelbar in ein Produkt, welches seinerseits die Bakteriologie beflügelte, ja in großen Teilen die entsprechenden Arbeiten erst ermöglichte. Das damalige Prinzip wird heute in jedem Labor genutzt.
Unter diesen Voraussetzungen ist es nur zu verständlich, dass Jena zukünftig Standort des Deutschen Optischen Museums sein wird. Können Sie uns etwas über das geplante Museum erzählen?
Prof. Dr. Mappes: Das wird einmalig – Sie werden vom Deutschen Optischen Museums (D.O.M.) so begeistert sein, dass Sie Ihre Freunde überzeugen werden, nur dafür nach Jena zu kommen. Und dies vollkommen unabhängig vom persönlichen Geschmack oder Wissensstand – jeder wird Passendes für sich finden.
Wir werden in der Ausstellung des D.O.M. Optik in Zusammenhängen erlebbar und begreifbar machen. Dabei interpretieren wir einen weisen Satz von Konfuzius: „Sage es mir, und ich vergesse es. Zeige es mir, und ich erinnere mich. Lass es mich tun, und ich behalte es.“
Allein hierfür haben wir über 60 interaktive Stationen mit realen Experimenten in Planung — der allergrößte Teil davon wird eigens durch das Team des D.O.M. und unsere Partner neu entwickelt und iterativ getestet, um das bestmögliche Besuchererlebnis zu garantieren.
Ein Beispiel: Das Original des Monumentalgemäldes „Fraunhofer erklärt seinen Freunden das Spektrometer“ wird als Dauerleihgabe im D.O.M. zu sehen sein. Es zeigt die Szene des Beginns der optischen Industrie in Deutschland. Vor diesem Gemälde werden wir auf ungefähr zwei Metern Länge das Spektrum des Sonnenlichts zeigen — eingespiegelt über einen dem Sonnenverlauf folgenden Spiegel (Heliostat) und zerlegt mit einem Diffraktionsgitter. Alle paar Minuten wechselnd, besonders an bewölkten Tagen und abends, werden wir ein kontinuierliches bzw. diskretes Spektrum zerlegt darstellen. Zusätzlich können unsere Besucher moderne Lichtquellen durch ein historisches Spektroskop betrachten. Das ist in der konservatorisch korrekten Umsetzung aufwendig, aber es erlaubt den Besuchern ein umfassendes Erlebnis jenes Eindrucks, den die Personen auf der Szene vor über 200 Jahren erfuhren – und es ist ein einmaliges Erlebnis, das nur hier zu erfahren sein wird.
Ein weiteres wichtiges Element der Ausstellung werden unsere Schaufenster der Optikforschung sein. Hier erläutern Nachwuchswissenschaftler auf verständliche Weise und sehr kompakt, woran sie gerade arbeiten. Also eine Art intellektuelle Sendung mit der Maus. Alle drei Monate werden die Inhalte wechseln. Damit ist bei jedem Besuch stets etwas Neues zu entdecken und wir können unseren Besuchern immer wirklich Aktuelles zeigen. Selbstredend wird unser Museumscafé zum Verweilen und Diskutieren einladen – und der Museumsshop zum Schmökern und Spielen animieren.
Mit dem Museum wollen Sie Kindern und Erwachsenen das Thema Optik näherbringen. Werden auch Fachbesucher bei Ihnen fündig?
Prof. Dr. Mappes: Wir haben fünf sehr unterschiedliche Zielgruppen: Jenaer Einwohner und deren Besucher, Touristen und Tagesreisende, Bildungsbesucher wie Studierende, Schulklassen und Kitas, Kongressteilnehmer und Firmengäste sowie schließlich Fachwissenschaftler. Sie merken, das ist ein breites und sehr diverses Spektrum. Jede dieser Gruppen wird eigens zugeschnittene Angebote finden, aber nicht alles werden wir für alle auf dieselbe Art erschließen.
Wieder ein ganz konkretes Beispiel der neuen Ausstellung: Unsere Besucher werden in das weltweit größte Archiv optischen Glases hineintreten können. Jede Schmelze optischen Glases ist in ihren physikalischen Parametern neu zu bestimmen. Diese Messungen erfolgen an Glasstreifen, die als Messobjekt über viele Jahrzehnte verwahrt wurden. Die aus den Gläsern zu fertigenden Optiken sind in den Parametern der Linsen stets auf das jeweils neue Glas anzupassen. Das Prinzip ist heute dasselbe wie vor einem Jahrhundert. Im D.O.M. werden viele zehntausende Glasstreifen konservatorisch ideal gelagert, für die Wissenschaft zugänglich und für jeden Besucher zu bestaunen sein. Mitten im Glasarchiv stehend, wird über einen berührungslos zu steuernden Monitor jeder Besucher verschiedene Objektive auswählen können. Damit können aus den abertausenden Glasstreifen genau jene hervorgehoben werden, die in diesem speziellen Objektiv verbaut wurden. Während Fachbesucher sich an den Glasstreifen erfreuen, wird der große ästhetische Reiz alle ansprechen und das D.O.M. so die Nachvollziehbarkeit der Fertigung beeindruckend erlebbar machen.
Über 80 % der Museumsobjekte unserer Sammlung wurden der Öffentlichkeit nie gezeigt. Das ändern wir radikal. Während die Ausstellung selbst leicht und nicht überfrachtet wirkt, zeigen wir in unserem Schaudepot den Rest der einzigartigen Sammlung. Was immer sich konservatorisch vertretbar präsentieren lässt, werden Sie in den Depoträumen bestaunen können.
In unmittelbarer Nachbarschaft zum D.O.M. liegt das Volkshaus Jena, das derzeit zum Tagungs- und Kongresszentrum ausgebaut wird. Werden Sie als Ergänzung zum Volkshaus Angebote für Veranstaltungen in Ihrem Haus haben, z. B. für ein Get-together?
Prof. Dr. Mappes: Jede bessere Konferenz richtet an einem Abend ein Dinner aus. In mancher Hinsicht sind diese sozialen Zusammenkünfte genauso wichtig wie die Vorträge selbst. Der persönliche Austausch, das direkte Ansprechen der auf verwandten Feldern tätigen Kollegen führt zu neuen Ideen und nicht selten zu konkreten neuen Projekten. Diese Gelegenheiten gilt es zu schaffen. Für den Austausch müssen sich Menschen wohl fühlen. Ein Konferenzdinner mit fester Sitzordnung ist für jene ein Gewinn, die die richtigen Tischnachbarn erwischt haben, für viele trifft das aber nicht unbedingt zu. Eine ansprechende Alternative ist ein „Walking Dinner“, bei dem man jeden Gang in einem anderen Bereich zu sich nimmt – und währenddessen in Bewegung ist. Hat man einen interessanten Gesprächspartner gefunden, nimmt man diesen einfach mit, falls nicht, können beide gesichtswahrend sagen: „Danke für die Unterhaltung, nun müssen wir aber zum nächsten Gang.“ Hierfür gilt es, ein ansprechendes, gar einmaliges Ambiente zu bieten – und genau das erschaffen wir gerade. Denn die Oberflächen der Ausstellungsräume, sowie den Schutz der Objekte legen wir so aus, dass die Ausstellung spannend und großzügig wirkt. Und trotzdem entsteht kein Schaden durch ein umfallendes Sektglas oder ein zertretenes Brötchen.
Wird es möglich sein, im D.O.M. selbst auch Tagungen und Kongresse durchzuführen?
Prof. Dr. Mappes: Wir werden keine Konkurrenz zum Volkshaus sein, doch für besondere Kundenevents, Firmenfeiern oder Vorträge in exklusivem Rahmen werden wir unseren dann vollständig restaurierten Hörsaal aus dem Jahre 1924 mit seinen 100 Sitzplätzen im Stil des Art déco anbieten können. Dieser Raum wird sich wie eine Zeitkapsel anfühlen, in der vollkommen verborgen moderne Lüftungs- und Präsentationstechnik untergebracht ist, die Hörer aber auf Holzklappsitzen Platz nehmen, vor sich Schreibflächen mit je einer Griffelmulde und einem Porzellantintenfass. Die Farbfassung der Wände wird wieder der Bauzeit entsprechen – mit einem umlaufenden goldbronzenen Band unter der Decke. In ebenfalls goldbronzenen Lettern steht über die gesamte Rückwand „per aspera ad astra“. Was passt besser als jenes „durch das Raue zu den Sternen“ zu einem besonderen Anlass?
Wir danken Prof. Dr.-Ing. Timo Mappes ganz herzlich für dieses Interview!
Vielleicht möchten Sie noch mehr über die Tagungsmöglichkeiten in Jena erfahren? Unter MICE-Stories geben weitere Gesprächspartner ihre Erfahrungen an Sie weiter.